Bücher und Zeitschriften – Rezensionen
Rezensionen zum Thema: Maya
Veröffentlicht
in der Zeitschrift Amerindian Research 2023-04:
Der
vorliegende, reich bebilderte Katalog als Begleitbuch zu einer Ausstellung in
New York ist für Interessenten der Maya-Kultur vielleicht eine der
interessantesten Publikationen der letzten Jahre. Ausgestattet mit
zahlreichen Abbildungen erläutern sachlich geschriebene Texte, wie man sich
die "Zuständigkeiten" innerhalb der Götterwelt der Maya vorstellen
muss und wie die Kunst der Maya in Form von Malerei, Relief und Skulptur die
jeweils charakteristischen Merkmale der verschiedenen Göttergestalten herausarbeitet.
Längst
ist bekannt, dass Begriffe wie "Regengott" oder
"Sonnengott" viel zu kurz greifen und den vielfältigen
Eigenschaften und Aufgaben der jeweiligen Gottheit in keiner Weise gerecht
werden. So ist das Buch auch nicht in lexikalischer Weise, sondern eher in
Themenkomplexen angelegt. Zu
Anfang stehen allgemeine Betrachtungen zur Verflechtung menschlicher
Aktivitäten mit jenen von Gottheiten: Herrscher, deren bildliche Darstellung
symbolisch mit göttlichen Attributen versehen ist, und Göttergestalten, die
offensichtlich einen Einfluss auf bestimmte Personen aus- üben. Hier findet
sich auch ein vergleichender kurzer Blick nach außerhalb Amerikas, z. B. in
Richtung des alten Ägypten. Es
folgt ein weiterer Überblick über kosmische und weltanschauliche Fragen, die
in der Kunst ihre Widerspiegelung finden: Verschiedene "Schöpfungs"-Phasen von Welt und Menschen,
Anspielungen auf mythische Ereignisse, wie sie im Popol
Wuj geschildert werden, die symbolische Bedeutung
bestimmter Vögel oder anderer Tiere, z. B. von Kaninchen, in Verbindung mit
Menschendarstellungen. Dieser einführende Teil ist insofern anspruchsvoll zu
lesen, als uns das religiöse Wissen und dessen über viele Jahrhunderte erfolgte
Entwicklung nur insofern bekannt ist, als es sich aus den erhaltenen
Versatzstücken künstlerischer Darstellung schlussfolgern lässt. Im
nächsten Kapitel wird der Dualismus von Tag und Nacht, von Licht und
Dunkelheit, Sonne und Mond betrachtet. Mit Hilfe anschaulicher Beispielfotos
wird der Leser in die Problematik eingeführt und erhält Zusammenhänge
vermittelt. Was bedeuten Himmelsbänder oder Darstellungen von Krokodilen,
Affen oder Kaninchen? Wie erkennt man jene Instanz, die sich in der Literatur
vereinfacht als Sonnengottheit wiederfindet? Im
Kapitel "Regen, Blitz" werden die komplexen Funktionen des
Regengottes (Chaahk) erklärt, naheliegende
Querverbindungen zum "Maisgott" bis hin
zu seiner Bedeutung als einer Schöpfergottheit. Durch seine Zuständigkeit für
die Bewässerung der Felder mit Regen spielte er naturgemäß eine wichtige
Rolle für die Maya und steht auch in enger Verbindung zu einer überirdischen
Instanz namens K'awiil, einer Blitzgottheit, die in
der klassischen Periode der Maya-Kultur gern von den Herrschern als eine Art
persönliche Schutzgottheit vereinnahmt wurde. Hintergrund hierfür mochte die
unverkennbar gewaltige Kraft von Blitzen sein, mit der sich die Herrscher
gern vergleichen wollten. Hier finden sich im Buch auch vortreffliche
Abbildungen sogenannter "exzentrischer Feuersteine", überaus
kunstfertig gearbeiteter Objekte aus Feuerstein. Es
folgt ein Kapitel, welches die Entwicklung der Maisgottheit und damit
verbundene Aspekte der Wiedergeburt behandelt. Schließlich liest man
Betrachtungen zur Göttlichkeit bestimmter Menschen (männlicher und weiblicher
Herrschergestalten) und ihrer Schutzgottheiten. Dieser Abschnitt ist recht
umfangreich und aufschlussreich, da viele Beispiele anhand von Reliefs und
Stelen erläutert werden. Das
Buch ist keine einfache Lektüre und verlangt dem Interessenten ein
konzentriertes Lesen und vielleicht auch einige Vorkenntnisse ab, aber der
Stil ist sachlich und gut verständlich, die Auswahl der Illustrationen
ausgezeichnet. (Rezension von Rudolf Oeser)
Traci
Ardren ist Professorin für Anthropologie an der
Universität von Miami, war an der archäologischen Erforschung der Maya-Kultur
beteiligt und hat bereits mehrere Fachbücher über diesen Themenkreis
geschrieben. Sie
versucht in diesem Buch, die archäologisch und historisch erforschten
Zusammenhänge auf eine konkrete Lebenswelt zu projizieren: Wie haben die
Menschen gelebt und gearbeitet? Der Fokus ist hierbei auf die sogenannte
klassische Periode der Maya-Kultur (ca. 200–800 u. Z.) gerichtet, doch
versteht es die Autorin, den gesamten Zeitlauf bis in die Gegenwart in die
Betrachtung einzubeziehen. Ihr Schreibstil ist gleichermaßen sachlich wie
anschaulich. Am
Beispiel fiktiver Personen vorzugsweise der "einfachen" Bevölkerung
dargestellt, entwirft sie ein Bild vom täglichen Leben jener Menschen: Was
haben sie gegessen, wie muss man sich den Tagesablauf und die familiäre
Arbeitsteilung der bäuerlichen Bevölkerung vorstellen? Wie hat man gewohnt
und welche Unterschiede gab es zu jenen Bevölkerungsschichten, die
wohlhabender oder adlig waren? Wie waren die Menschen in die
gesellschaftlichen Konflikte zwischen den einzelnen Stadtstaaten eingebunden?
Freilich
stellt sich die Frage, an welchen Personenkreis sich das Buch eigentlich
richtet. Den Fachwissenschaftler dürfte die Verwendung fiktiver Personennamen
wahrscheinlich irritieren, für den "Einsteiger" ist es vielleicht
zu komprimiert sachlich und angesichts der zurückhaltenden Illustrierung mit
Schwarzweiß-Abbildungen optisch nicht sonderlich attraktiv. Handelt es sich
um eine Art "Pflichtlektüre" für studentische Seminare der Autorin?
Natürlich
lässt es sich bei einer Studie, welche die konkreten Lebensumstände der
Menschen in den Mittelpunkt stellt, nicht vermeiden, dass auch Sachverhalte
geschildert werden, die vielleicht einer Hinterfragung bedürfen. So die
Bemerkung (S. 24), die Holzhütten der einfachen Bevölkerung seien vielleicht
angenehmer und trockener gewesen als die Steingebäude, in welchen die
Oberschicht (oftmals) lebte. Aber warum sollten die Steingebäude sonderlich
feucht gewesen sein? Die Autorin weiß doch, dass der tropische Regenwald, in
welchen man die klassische Mayakultur im populären Verständnis gern versetzt,
im Grunde erst später entstanden ist. An
anderer Stelle (S. 99) heißt es, dass jedermann in der Stadt eingeladen war,
an der Einweihung einer neuen Stele teilzuhaben. Dieser Gedanke liegt
durchaus nahe, aber wir wissen es nicht, zumal mancherorts die Stelen in
einem Bereich aufgestellt wurden, der für größere Menschenmengen zu eng und
für den unbefugten Zutritt sicherlich gesperrt war. Das wäre zu diskutieren,
aber eine Nachweisführung dürfte schwierig sein. So
lässt sich das Buch einerseits gut lesen, andererseits ist ein kritischer
Blick darauf durchaus angeraten. Das Buch ist mit einem ausführlichen
Literaturverzeichnis und einem Stichwort-Index versehen. (Rezension
von Rudolf Oeser) |
Bitte informieren Sie
sich unter www.indianerkulturen.de im
Bereich "BÜCHER UND ZEITSCHRIFTEN"
oder auf der Seite www.amerindianresearch.de über
die deutschsprachige Quartalszeitschrift
"AMERINDIAN RESEARCH
– Zeitschrift für indianische Kulturen von Alaska bis Feuerland"