Bücher und Zeitschriften – Rezensionen
Rezensionen zum Thema: Sachbücher über Indianer Nordamerikas
Veröffentlicht
in der Zeitschrift Amerindian Research 2023-04:
Die
Ethnologin Veronika Ederer legt mit dieser umfangreichen Publikation, in
deren Mittelpunkt die nordamerikanischen Apachen stehen, ein interessantes
und zugleich sehr persönliches Buch vor. Die
einschlägige historische Literatur ist voller Informationen über die
sogenannten Apachenkriege. Über die Apachen selbst,
ihre Lebensweise und ihre Sicht der Ereignisse wird in der verbreiteten
Literatur wenig berichtet, wohl aber über ein jahrhundertelanges blutiges
Gegeneinander und brutales Massakrieren. Vor diesem Hintergrund ging die
Autorin der Frage nach, ob es auch eine andere Geschichte gibt, eine
Geschichte, die von Freundschaft und Vertrauen erzählt. Kennt sie doch das
Werk des Schriftstellers Karl May, der in einigen seiner (frei erfundenen)
Erzählungen die unverbrüchliche Freundschaft zwischen seinem weißen
Haupthelden und einem Häuptling der Mescalero-Apachen
– Winnetou – in den Mittelpunkt stellte. Es war ein positives Bild, das Karl
May entwarf, fantasievoll, aber auch im Gegensatz zu den zeitgenössischen
historischen Schilderungen stehend. Doch gab es im Hintergrund der oft
grausamen Wirklichkeit nicht wenigstens die eine oder andere
freundschaftliche, von gegenseitiger Achtung getragene menschliche Beziehung
zwischen Apachen und Nichtindianern? Veronika
Ederer ist dieser Fragestellung über viele Jahre nachgegangen und hat
zahlreiche Reisen in den Südwesten der USA, insbesondere zu den Apachen,
unternommen. Im Mittelpunkt ihres Interesses standen vorzugsweise die Mescalero, aber auch die Lipan
und Chiricahua, welche in der Mescalero
Reservation inzwischen eine Heimat gefunden haben. Die
Autorin liefert zunächst einen Überblick zur frühesten Geschichte der
Apachen, ihre Einwanderung in den nordamerikanischen Südwesten und ihr
Verhältnis zu anderen indianischen Ethnien sowie zu den Spaniern, Mexikanern
und US-Amerikanern. Die weitere Geschichte, soweit sie nicht als Überblick
kurz umrissen wird, erschließt sich beim Lesen der biografischen Skizzen der
nichtindianischen Personen, bei welchen die Apachen insbesondere dann
Unterstützung fanden, als es galt, unter den schwierigen Bedingungen der
Reservation nicht nur zu überleben, sondern auch eine gewisse Identität zu
bewahren. Die
Protagonisten der meisten der hier geschilderten
"Freundschaftsgeschichten" dürften der Leserin oder dem Leser
unbekannt sein, weil sie im Hintergrund wirkten und als "einfache"
Leute nicht den Weg in die Geschichtsbücher fanden. Ederer beschreibt
anschaulich, wie sie oft zufällig auf Informationen gestoßen ist, die sie in
Gesprächen mit Apachen und bei der Auswertung von örtlichem Archivmaterial
über Jahre weiter vertiefte. Im Allgemeinen handelte es bei diesen Personen
um Euro-Amerikaner, die durch Zufälle oder ihre berufliche Betätigung mit
Apachen in Kontakt kamen. Man lernte sich nicht nur kennen, sondern schätzte
und unterstützte sich gegenseitig. Beginnend
mit dem Scout, Trapper und Indianeragent Christopher ("Kit")
Carson, der in dieser Reihe vielleicht die bekannteste, gleichzeitig auch
umstrittenste Person war, schildert die Autorin die Schicksale von
"Weißen", die als Mühlenbetreiber, Soldat, Missionar oder in
welcher Funktion auch immer mit den Apachen in Kontakt kamen, diesen wertvolle Unterstützung leisteten und die
ihrerseits die Achtung der Apachen gewannen und Hilfe fanden. Dem Lesenden
wird ein breites Spektrum an Information über die Lebensweise der Apachen und
ihr Bemühen vermittelt, Reservationsgebiete zu erhalten, die ihnen ein
Überleben und eine Zukunft ermöglichten. In diesem Zusammenhang wird z. B.
auch der Lebensweg von Geronimo und seinen Anhängern, die Deportation nach
Florida und Alabama und schließlich der lange Aufenthalt bei Fort Sill in
Oklahoma in einer unglaublichen Detailtiefe geschildert. Es wird deutlich,
dass das Überleben der Apachen im Südwesten sowie in Oklahoma ohne die Hilfe
euroamerikanischer Freunde so nicht möglich gewesen wäre. Die
einzelnen Kapitel des Buches wurden von der Autorin mit umfangreichen
Quellenhinweisen und Anmerkungen versehen, am Ende finden sich außerdem ein
Literaturverzeichnis und ein Stichwortindex. Es
ist ein faszinierendes Buch, das die oft grausame Wirklichkeit nicht
verschweigt, aber eine unerwartete menschliche Seite aufzeigt, so dass man es
nicht aus der Hand legen möchte, wenn man einmal mit dem Lesen begonnen hat. (Rezension
von Rudolf Oeser)
Das
Buch ist keine vollständige Darstellung oder Enzyklopädie des indigenen
Widerstands in den USA im 20. Jahrhunderts – dies würde den Umfang einer
solchen Publikation auch sprengen – sondern es werden eine Reihe
richtungsweisender Ereignisse ausführlich und mit Blick auf den jeweiligen
Hintergrund und Widersprüchlichkeiten erläutert. Abgesehen
von einer Einleitung und einer "Bestandsaufnahme" der Zeit um 1900
ist der Buchinhalt in vier zeitlich aufeinander folgende Hauptabschnitte
(Kapitel 3–6) gegliedert. Kapitel
3 behandelt die Zeit von etwa 1910 bis einschließlich des Zweiten
Weltkrieges. Der Autor erläutert zunächst das Streben der Six Nations um Bewahrung ihrer Selbstbestimmungsrechte. Dabei
wird auch ein Blick auf die lange Geschichte der Six Nations
im Widerstreit zwischen England und den USA geworfen. Der Leser erfährt
zahlreiche bisher in deutscher Sprache kaum publizierte Einzelheiten zu
Fragen der Anerkennung der Staatsbürgerschaft und des sogenannten "New
Deal". Auch die Situation der Navajo in den 1930er Jahren bis in die
Zeit des Zweiten Weltkrieges findet Beachtung, so das Programm zur
Reduzierung des Viehbestandes der Navajo und die damit verbundenen Konflikte.
Während
die Literatur oft die sogenannten "Code Talker"
insbesondere der Navajo hervorhebt, die in der US-Armee Dienst taten, wird
hier auch dargestellt und begründet, warum viele Angehörige indianischer
Ethnien nicht bereit waren, sich für einen potenziellen Militärdienst
registrieren zu lassen. Die religiösen, traditionellen und ökonomischen
Gründer hierfür werden auch erklärt. Kapitel
4 behandelt dann vor allem die sogenannte Terminationspolitik (bis Anfang der
1960er Jahre), den Versuch der US-Regierung, die noch bestehenden
indianischen Stämme als Gemeinschaften aufzulösen und ihnen ihren
Sonderstatus als Indianer abzuerkennen. Es werden insbesondere die
Widerstände gegen dieses Vorgehen dargestellt. In
den 1960er Jahren begannen in den USA die "Red-Power-Jahre",
welche in Kapitel 5 geschildert werden. Diese Bewegung war beeinflusst von
der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und war gekennzeichnet durch
Protestaktionen von Künstlern und politischen Aktivisten,
Auseinandersetzungen um Fischereirechte im Nordwesten der USA, die Besetzung
der Insel Alcatraz in der Bucht von San Francisco durch indianische
Bürgerrechtler bis hin zum militanten Widerstand der AIM (American Indian
Movement). Der Autor schildert detailliert eine Reihe von Aktionen, so zudem
den "Trail of Broken
Treaties" 1972. Hier wird auch die mangelhafte
Organisation des Vorhabens aufgezeigt, die schließlich zur Besetzung und
zerstörerischen Aktionen im BIA (Bureau of Indian
Affairs) in Washington führte. An diese Aktion reihte sich die medienwirksame
Besetzung der Ortschaft Wounded Knee
1973 an. Am
Ende dieser teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen, in welche die AIM
verstrickt war, steht indes die Aussage, dass sie direkt oder indirekt zu
positiven Veränderungen führten. Im
Kapitel 6 wird gezeigt, wie sich seit Mitte der 1970er Jahre die Situation
allmählich verbesserte und beispielsweise 1975 ein Gesetz über indianische
Selbstbestimmung im Kongress der USA beschlossen wurde. Der Autor schildert
aber auch diese Jahre als konfliktreiche Zeit, geprägt von Protesten gegen
die Zwangssterilisierung indianischer Frauen oder den allzu leichtfertigen
Umgang mit radioaktivem Material bei der Uranförderung auf dem Land der
Navajo. Das
Buch bietet eine faktenreiche Übersicht und der Autor ist sichtlich bemüht,
die Problematik in ausgewogener Weise von verschiedenen Seiten zu betrachten.
Es gibt ein umfangreiches Quellenverzeichnis sowie einen Stichwort-Index.
Dass der inhaltliche Rahmen scheinbar etwas willkürlich im Jahr 1992, dem
500. Jahr der "Entdeckung" Amerikas, endet, mag der Leser bedauern;
aber es ist sicherlich sinnvoll, die allerjüngste Geschichte, deren
unmittelbare Zeitzeugen wir sind, aus einer solchen Übersichtsdarstellung
auszuklammern und gegebenenfalls in einer separaten Studie zu erläutern. (Rezension
von Rudolf Oeser)
Die
Natchez dürften als Ethnie im südöstlichen Kulturareal Nordamerikas vielen
Lesern bekannt sein. Insbesondere wird vielfach auf den vermeintlichen Fakt
hingewiesen, dass die Natchez infolge mehrerer Kriege mit den französischen
Kolonialisten am unteren Mississippi schon im 18. Jahrhundert ausgerottet
worden seien. Der
Autor geht zunächst am Beispiel der Creek und der Cherokee der Frage nach,
wie im Falle von Vertreibung, Umsiedlung und Zersplitterung von Ethnien deren
Identität und Zusammengehörigkeitsgefühl bestehen bleiben und
weiterentwickelt werden können. Er weist nach, dass das Bewusstsein
ethnischer Identität trotzdem bewahrt werden kann. Im
Falle der Natchez wird zunächst die historische Situation, welche zu Krieg
und Vernichtung der Natchez als Stammesorganisation führten, umrissen und
schließlich aufgezeigt, wie es möglich war, dass Teile das Stammes bis in die
Gegenwart weiterhin bestehen bzw. sich neu organisieren konnten. Der
Autor weist nach, dass sich durchaus nicht nur einzelne Personen der Natchez
zu benachbarten Stämmen haben retten können, sondern dass dort größere
Stammesgruppen vor den französischen Angriffen Zuflucht gefunden haben. Die
hier vorgestellte Publikation ist die um mehrere Kapitel erweiterte Neuauflage
eines bereits 2022 unter gleichem Titel erschienenen Buches, welches in der
Ausgabe 2/2022 der Zeitschrift Amerindian Research
besprochen wurde. Diese Buchinformation beruht auf einem pdf
mit dem vollständigen Text, das Buch selbst lag dem Rezensenten nicht vor. (Rezension
von Rudolf Oeser) |
Bitte informieren Sie
sich unter www.indianerkulturen.de im
Bereich "BÜCHER UND ZEITSCHRIFTEN"
oder auf der Seite www.amerindianresearch.de über
die deutschsprachige Quartalszeitschrift
"AMERINDIAN RESEARCH
– Zeitschrift für indianische Kulturen von Alaska bis Feuerland"